Tunis, meine Perle

Der Anflug nach Tunis ist herrlich. Nach dem ganzen Motorengebrüll der knappen zwei Stunden Flug wird es plötzlich ganz leise. Von rechts werde ich wunderschön orange-gelb von der tief hängenden Sonne angestrahlt, die meinen Anflug begleitet. Dazu musikalische Begleitung der Editors und die lange Reise kann endlich ein gutes Ende nehmen. Schrittweise machte ich mich immer weiter nach Süden auf, um bloß die Vorfreude auf Tunesien noch ein wenig herauszögern zu können. Um einen Tag davor noch eine komplette Krise zu bekommen und alles in Frage zu stellen. Aber so ist es ja nun einmal immer.

Jetzt haben wir gedreht, die Sonne leuchtet von links, mit Lufthüpfern steuern wir plötzlich bedrohlich schnell gen Erdboden. Links von mir liegt das Meer, rechts eine riesige Stadt, deren Konturen langsam hervortreten. Weiß stechen die Häuser hervor und dicht besiedelt wirkt sie von hier oben. Die Sonne ist jetzt Blutorangig knallig, nur umgeben von noch stärkerem Rot. Auch rechts kommt wieder Wasser, das ist wohl das erste, was ich von Tunis verstehe – dass sie zu allen Seiten ziemlich nah am Wasser gebaut ist.

Das zweite Anzeichen des Ankommens ist das augenblickliche Kleben meiner Haut, sobald ich das Flugzeug verlasse. Seit schwülem Hochsommer in Südindien habe ich mich wohl nicht mehr so babschig gefühlt. Wahnsinn. Es wird wohl am Mittelmeer liegen, an den derzeitigen Temperaturen zwischen 35 und 40 Grad und an der generellen Lage von Tunis. Wie ich damit klarkommen werde und wie sehr ich meine Dusche schätzen werde, darauf bin ich sehr gespannt.

Als drittes verstehe ich, dass ich einfach reines, pures Glück hatte. Mein Zimmer in der internationalen WG aus Schweden, Tunesiern, Niederländern und Deutschen ist wunderschön. Es ist nicht einmal nur ein Zimmer, viel eher ist es ein Studio mit eigenem Bad, Waschraum, Terrasse und viel Platz. Mittlerweile habe ich zwar blaue Flecken an den Hüften, weil die Matratze so abgenutzt ist und ich jede Feder einzeln spüren kann. Aber auch das Problem wird sich sicherlich noch lösen können.

Den ersten Tag verbringe ich auf Erkundungstouren durch das Viertel, in dem ich nun bis Ende November wohne. Es heißt La Marsa und liegt knapp 20 Kilometer vom Stadtzentrum von Tunis entfernt am Meer. Auch mein Praktikum bei der Hanns-Seidel-Stiftung liegt nur zwei Straßen entfernt, sodass ich mir den täglichen Reisestress durch Rabat zum Glück erspare. Hier gibt es die Corniche, die Strandpromenade, einen tollen Strand mit feinem Sand und glasklares Wasser.

Eigentlich bin ich doch eher ein Bergtyp, wo ich durch jeden Schritt meine Perspektive wechsle und Neues entdecken kann. Am Meer wird mir schnell langweilig, zu eintönig ist es hier. Das ruhige Wasser hier in La Marsa konnte aber sogar mich verzaubern. Tatsächlich ist es das erste Mal, dass ich mich im Meer so wohl fühle und es so lange aufhalte, mich einfach nur treiben zu lassen und mich im klaren Bleu Ciel über mir zu verlieren.

Auch die Tunesiern, denen ich in den ersten Tagen hier begegne, machen einen tollen Eindruck auf mich. Allesamt unglaublich warmherzig, für jeden Plausch bereit und eher positiv beeindruckt als amüsiert über mein marokkanisches Arabisch, das ich Ihnen aufdränge. Nun habe ich auch schon das wichtigste und am häufigsten verwendete Wort hier in Tunis gelernt: „Aischek“. Was so viel heißt wie „Ich gebe dir mein Leben“. Es scheint stellvertretend für „Bittesehr“, „Dankeschön“, „Mach es gut“ und „Gehe in Gottes Frieden“.

In diesem Sinne, Aischek und bis bald aus Tunis.