30. August 2012
„Namaste“ aus dem weit entfernten Indien,
jetzt ist schon zwei Wochen her seit meine große Reise in Frankfurt begann, die sich allerdings wie mehrere Monate anfühlen. Vom Flughafen in Ahmedabad in Westindien bin ich nach einem Tag Aufenthalt in einer anderen Organisation mit Cara, die mit mir das kommende Jahr im Kasturbagram verbringen wird, mit dem Zug weiter nach Indore gefahren.
Nach einer abenteuerlichen Zugfahrt mit harten, klebrigen Schlafpritschen, der Angst, unser Gepäck könne geklaut werden und dem liebevollen Beschützen unserer unbekannten Abteilnachbarfamilie sind wir morgens heil in Indore angekommen, wo wir von einem Mitarbeiter des Kasturbagram abgeholt wurden.
Mein erster Eindruck, als wir das Gelände und das Hostel, in dem Cara und ich das Jahr über wohnen, gesehen haben, war wirklich gut. Alles war nach dem grauen, staubigen Verkehrschaos der Stadt erstaunlich ruhig und friedvoll und im Hostel wurden wir direkt von den vielen Mädchen herzlich begrüßt. Direkt am Anfang haben wir auch Pravina, die „Hostel-Mum“ kennen gelernt, die hier für uns beide so etwas wie eine Ersatz-Mami geworden ist, weil sie sich einfach richtig gut um uns kümmert und keine Mühe scheut, damit es uns gut geht.
Cara und ich haben ein Zimmer in einem der Hostels, in dem die College-Mädchen untergebracht sind, was bedeutet, dass hier Tag und Nacht Tumult herrscht, wir aber auch viel direkten persönlichen Kontakt zu ihnen haben. Die Mädchen sind alle sehr lieb, laut und neugierig und nicht allzu selten klopft es an unserer Tür und ein „Didi, may we come in?“ ertönt. „Didi“ ist Hindi für Schwester und „Bahi“ für Bruder; so nennen sich hier alle untereinander, egal, ob alt oder jung. Im Hostel ist auch die Küche, in der für uns extra weniger scharfes Essen gekocht wird, auch wenn drei Mal täglich Reis dann doch nicht so ganz unseren deutschen Gewohnheiten entspricht.
In den letzten zwei Wochen haben wir uns erst einmal in unserem Zimmer eingerichtet, in dem auch die drei vorherigen Generationen von Freiwilligen gelebt haben, viele der ca. 100 Mitarbeiter des Kasturbagram und das College kennengelernt, Besorgungen in der Stadt gemacht und mit unserem Hindi-Lernen begonnen. Tatsächlich ist es hier so, dass nur wenige der Mitarbeiter und Lehrer gutes und einigermaßen verständliches Englisch sprechen. Vor allem mit den Mädchen ist die Kommunikation noch ein großes Problem, da diese trotz langer Jahre Englischunterricht kaum etwas verstehen. Mittlerweile klappt es allerdings immer besser und jeder freut sich hier riesig über ein paar Worte Hindi, seien sie auch noch so falsch ausgesprochen. Auch nach zwei Wochen und drei Generationen Freiwilligen aus Deutschland bekommen wir hier immer wieder neugierige, fast gaffende Blicke zugeworfen und fühlen uns öfters wie im Zoo, wenn wir kochen, nähen oder Yoga machen.
Seit Anfang dieser Woche haben wir so langsam auch in einen Tagesablauf hereingefunden. Morgens beginnt der Tag für uns mit einer Stunde Yoga, die wir nach indischer Tradition mit leerem Magen machen. Im Anschluss gibt es im Hostel Boha – Reis mit Gewürzen, extrem stark schmeckenden Korianderblättern und grünen Chilistücken – allerdings werden wir uns in nächster Zeit wahrscheinlich öfters selbst Essen zubereiten. Den Vormittag über haben wir Zeit, um Spinnen zu gehen, zu nähen oder an unserer Idee, hier ein Abfallsystem aufzubauen, weiterzutüfteln. Mittags gehen wir, wann immer es möglich ist, zur Cooking Class, in der die Mädchen indische Gerichte lernen. Das macht total viel Spaß, weil es uns Anregungen für reis-freie Gerichte gibt und jeder von den sehr leckeren Gerichten am Ende ein bisschen probieren darf. Nachmittags lernen wir Hindi, haben ein bisschen freie Zeit und gehen zum Prayer, in die Library oder zum Khadishop, in dem die wertvollen, aus Wolle gesponnenen und gewebten Stoffe verkauft werden. Außerdem treffen wir einmal täglich unseren Tutor Dr. Trivedi, der im Kasturbagram der Secretary ist, bevor wir nach dem Dinner Hindiunterricht bei Pravina bekommen.
Am besten lernt man das, außerhalb des Stadtkerns im Grünen gelegene, Kasturbagram wertzuschätzen, wenn man mit der Rikscha das Straßenchaos hier miterlebt, in dem Vorfahrtregeln, Ampeln und ein Fahrzeug pro Straßenspur überhaupt keine Rolle spielen. Es ist staubig, überfüllt, zugemüllt und es herrscht ein heilloses Durcheinander von Kühen, Menschen, Rikschas, Motorrädern, Fahrrädern und natürlich streunenden Hunden. Wie das alles bei dauerhaft strömendem Monsunregen werden wird, will ich mir gar nicht vorstellen…
Wenn wir dann wieder das eingezäunte Gelände des Trust betreten, bin ich jedes Mal wieder erleichtert, keine Angst mehr um meine Kamera und Tasche haben zu müssen, Natur zu sehen und von mittlerweile vertrauten lächelnden Mädchen mit einem „Namaste, Didi“ begrüßt zu werden.
Mal sehen, ob die nächste Zeit genauso erlebnisreich und interessant sein wird und „Phir milenge / Auf wiedersehen“ von मोिलन (Malin in der Devanagari-Schrift des Hindi)
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