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Rabat, du Wunderbare!

Verwunschen

Gestern saß ich lange zeichnend und lesend im Café des Oudayas im wunderschönsten Fleck des ganzen Landes. Ruhig ist es dort, jeder scheint dort die einzigartige Atmosphäre der grünen Oase zu spüren. Jeder scheint sich dort wohlzufühlen und jeder scheint dort wie nirgendwo sonst zur Ruhe zu kommen. Hier ist ein verwunschener Garten in der alten Kasbah der Oudayas, umgeben von 700 Jahre alten Lehmmauern, die wohl schon so einiges an Stadtgeschichte und Menschenleben miterlebt haben. Hier wachsen Palmen, Wein rankt an kleinen Torbögen entlang und die sorgfältig gepflegten Beete strotzen nur so vor Vielfalt und Schönheit. Ob für die Touristen oder aus eigener Entscheidung ist der Garten auch Heimat für unzählige Katzen, die in der Sonne baden und die besten Motive für Zeichnungen und Fotos abgeben. Hier hat man den Blick auf den Fluss Bouregreg, auf die weiß-blauen Häuser des schönsten Viertels der Stadt und auf die kleinen Boote, die vor gar nicht allzu langer Zeit noch die Hauptverkehrsroute zwischen Rabat und der Zwillingsschwester Sale darstellten.

Verzaubert

Letzte Woche war ich im Süden in Essaouira beim Gnaoua Festival, zu dem marokkanische und berberische Musik mit Klapperschalen, eckigen Gitarren und Trommeln gespielt wird. Essaouira, die Stadt des Windes, die Perle der Südküste, die Oase der Alternativen des Landes. Hier sind die Gassen durchzogen von Scharen internationaler Blondschöpfe, die in allen Sprachen der Welt plabbern und wohl mehr vom Flair der Altstadt als von der auf Dauer etwas eintönigen Musik profitieren.

Um in diesem Trubel nicht schon wieder vegetarische Tagine mit verkochtem Gemüse zu essen, machten wir uns lange auf die Suche nach etwas Kleinem, Schönen und Besonderen. Und fanden letztlich das perfekte Restaurant. Ein Monsieur Sifeddine, der 20 Jahre in der Haute Cuisine in Frankreich lernte, betreibt hier ein kleines Restaurant – Les Arcades de Mogador (Essaouira). Ein in Deutschland wohl unvorstellbares vegetarisches Menü für 6€, in der besten Qualität, dem feinsten Geschmack und einzigartig romantischer Atmosphäre, die ich in Marokko nur selten gefunden habe. Der Gute erkannte mich sogar wieder, da ich mit meinen Eltern bereits hier gewesen war und schloss uns bald ins Herz. Entgegen so vieler anderer schwört er, Marokkanern, Backpackern und hohen Gästen die gleiche Qualität zu servieren und keine Unterschiede zu machen. Dort versöhnte ich mich wieder mit der von Tourismus entstellten Altstadt und genoss es, dem Land endlich mal wieder für kurz entfliehen zu können. Auch das Frühstück auf der Dachterrasse war tatsächlich mit Abstand das allerbeste, das ich jeh hier gefunden haben. Respekt! Perfekt verzaubert! (Les Arcades)

Verträumt

Ungefähr um 17, 20 und 22 Uhr rufen die Muezzins im ganzen Land zum Gebet und die Stadt ist erhellt von Gesang aus allen Richtungen. Die zentrale Lage meiner Wohnung in Rabat unterstützt das Gefühl, sich mitten in einem gemeinsamen Lied zu befinden, dessen verschiedene Tonhöhen dezentral beigesteuert werden. Es ist faszinierend, wie dies ähnlich der aus der Heimat vertrauten Kirchglocken zu einer Orientierung im Tag werden kann. Um 17 Uhr gibt’s Kaffee und vielleicht ein frisches Croissant mit Schokolade oder Mandelcreme gefüllt. Um 20 Uhr bekomme ich Hunger und um 22 Uhr ist es langsam an der Zeit, die letzten Seiten zu lesen, die letzte Teetasse zu leeren und sich schlafen zu legen. Selten kommt es vor, dass ich morgens um 5 zum Morgengebet aufwache – doch wenn, so ist auch dies ein wunderbares Gefühl. Morgens sind die Gesänge ruhiger und weniger Muezzins singen länger und melodischer. Wenn man Glück hat, und danach noch mal einschlafen kann, träumt man sicher gut!

Hand aufs Herz

Einen neuen Freund habe ich zusätzlich zu Ibrahim im Tante-Emma-Laden, Machfud aus der Fromagerie und Munya aus der Boulangerie auch gewonnen. Er heißt Abderrazak – ein unfassbarer Name – und ist unser Plombier. Das heißt, eigentlich ist er der Allrounder, der bei jedem Problem, das in einer fremden Wohnung auftreten kann, zur Stelle ist. Meistens steht er genau dann vor dem Haus, wenn mal wieder der Wassererhitzer kaputt geht und ersetzt werden muss, die Küche voll mit Wasser ist oder der Strom in der Hälfte der Wohnung versagt. Schnell wird dann bei laufender Elektrizität ein Stück Kabel von der Lampe im Flur entwendet und neu eingesetzt. Oder alle Sicherungen rausgenommen, und wieder neu zusammengepuzzelt, um zu merken, dass die Sicherungen auf dem Flur einfach nur raus war. Muschkil fi Bayt – Ich hab ein Problem zu Hause. Und schon ist er da. Dass er sich aber auch riesig freut, wenn man ihm auf der Straße begegnet. Dass sich seine Stimme vor lauter „Wie geht’s? Wie steht’s? Wir läuft’s? Wie ist es?“ fast überschlägt. Und dass er sich nach dem Gespräch ans Herz fasst und sagt, er sei nun sehr, sehr glücklich, das ist schon ziemlich toll!

Die Herzen der Menschen zu erobern ist nicht immer leicht. Manchmal gelingt es hier nicht, manchmal erntet man auch nach einiger Zeit noch Skepsis und Abweisung. Aber immer öfter zahlt sich der regelmäßige Besuch und das Gehen der gleichen Strecke aus. Dann wird man mit Lächeln und der Frage, nach dem Wetter begrüßt. Man wird mit einer Makkaroni oder einem Stück Harcha-Brot begrüßt. Manchmal bekommt man sogar einen frischen Orangensaft gepresst. Großer Akzeptanzbeweis!

Dies sind einige dieser Orte und Gefühle, die mich hier in Marokko bleiben lassen. Die mich jedes Mal aufs Neue faszinieren und aufhorchen lassen. Die mich zur Ruhe kommen lassen und mir im Getümmel der Stadt Seelenfrieden geben.

Nun ist dann auch meine Halbzeit des Auslandsjahres erreicht – wenn auch nicht zeitlich, so doch thematisch. Leider sind somit auch die Ferien, die ich nach dem Schreiben von vier Hausarbeiten in der ersten Mai-Woche genießen konnte, vorbei. Der Etappenwechsel, auf den ich nun schon seit zwei Jahren warte, steht bevor. Mein Büro in Hay Riad, wo ich die ersten Wochen in Marokko wohnte, ist hergerichtet und am Montag beginnt der Arbeitsalltag. Am meisten freue ich mich jedoch nun auf den Ramadan, der am 6. Juni beginnen und einen Monat lang das Land einmal à la Sotto Sopra auf den Kopf stellen wird. Soll ich mitfasten? Halte ich es den ganzen Tag lang ohne Wasser aus? Und kann ich so überhaupt arbeiten? Oder wie machen die anderen das?