Der zweite Tag im faszinierenden Ronda beginnt mit gutem Frühstück mit Brot, frischgepresstem Traubensaft und Frischkäse Delight, der die Konsistenz von gekochtem Ei enthält – unser Host ist sehr auf seine Figur bedacht und hat deshalb seine Ernährung ein wenig umgestellt. Eugenio backt selbst Brot, macht sich täglich frühen Kefir und es gibt oft frischen Saft. Auch nicht schlecht, das kann sich wohl sehen lassen. Er geht auch jeden Morgen zur Sporthalle und läuft abends zwei Stunden, um sich fit zu halten. Als Lehrer unterrichtet er in der Abendschule Erwachsenen die englische Sprache, die er selbst fehlerfrei beherrscht und scheint seinen Job sehr zu mögen. Allerdings gibt er auch zu, dass Erwachsene natürlich deutlich fordernder sind als Kinder, die sich auch mal mit einer Geschichte zufrieden geben. Dieses hohe Niveau aufrechtzuerhalten ist wohl nicht immer leicht, doch ich kann ihn mir sehr gut professionell in dieser Rolle vorstellen.
Eugenio schlägt uns vor, in die Stadt zu fahren, dort ein paar Stunden zu verbringen und daraufhin den Bus nach Málaga zu nehmen – ein Angebot, das wir dankend annehmen und das uns einiges an kommunikativen Schwierigkeiten erspart. Als sehr direkt kommunikatizierende Deutsche war es für mich etwas verwirrend als er meinte, für seine Frau seien alle, die nicht der Familie angehören und das Haus betreten wie eine Invasion. Ob es nur scherzhaft gemeint war oder er tatsächlich Sorge hat, dass seine Frau sich beschwert oder unwohl fühlt, weiß ich nicht genau. Mit einem lachenden Auge meinte er „Ihr fahrt, aber meine Frau bleibt“. Somit ist ein klares Angebot seinerseits wohl kaum verkehrt.
Mit ihm gemeinsam fahren wir aus Ronda hinaus und durch lange Alleen und über Schotterwege, die von Olivenbäumen gesäumt sind. Alles ist neuerdings mit Zäunen abgesperrt, was wohl die neue Mode der Spanier zu sein scheint. Hinter den vielen Zäunen jedoch verbirgt sich eine herrliche Landschaft. Es sind weite, kahle Gebirgszüge, die nur teilweise von oliv- und mattgrünen Sträuchern überzogen sind. Da der Sommer dieses Jahr sehr stark war ist es rundum unfassbar kahl und in staubigen Farben gehalten. Die Flüsse haben kaum Wasser und sogar die Kakteen scheinen zu vertrocknen und abzusterben.
Das Hauptmonument von Ronda ist die Brücke, die die 80 Meter hohe Schlucht, den Tajo, überspannt. Von unserem Aussichtspunkt weit außerhalb haben wir einen ganz neuen Blick auf die Brücke und das gesamte Felsmassiv, das Ronda umgibt. Es ist gigantisch groß und wahnsinnig beeindruckend und von hier definitiv besser zu überblicken. Die Felsen unter Ronda sind in ockerfarben gehalten und Wirken geschliffen und glatt, währenddessen ähnlich wohl geformte Felsen in der Umgebung nicht zu finden sind. Als Verteidigungslinie muss dies ideal gewesen sein und für Eroberung eine große Herausforderung dargestellt haben. Hier befindet sich auch eine Ansammlung von Höhlen, in denen Mönche lange Jahre gewohnt haben und sich tief in die Felsen gegraben haben. Seitdem ist es eine Pilgerstätte geworden und hat eine kleine Kirche erhalten, die mit ihrer strahlend weißen Farbe sogar von der Stadt aus zu sehen ist. Eugenio erzählt viel und zeigt uns die typischen Pflanzen der Umgebung, unter denen auch ausladende hellblau blühende Rosmarinbüsche und bereits verblühte Lavendebüsche sind.
Zurück in der Ciudad Viejo laufen Felix und ich den kleinen unbefestigten Pfad, der in geschwungenen Linien zur Basis der alten Brücke führt, die missverständlich Ponte Nuevo heißt, da sie die neuere der drei Brücken von Ronda ist. Am Fuße eines derart hohen Bauwerkes zu stehen macht einiges her und der Blick auf den Wasserfall darunter ist beeindruckend wie faszinierend. Ohne Absperrungen oder Zäune kommt man immer weiter und ich fühle mich wie in einem verwunschenen Urwald, in dem man an jeder Ecke etwas Neues entdeckt. Nicht viele Menschen kommen soweit, die meisten stehen 80 Meter weiter oben und gaffen auf uns hinab. Hier unten gibt es ein Wehr, über das jedoch kein Tropfen Wasser fließt, und dahinter staut sich das wenige Bisschen Wasser, das der heiße Sommer übrig gelassen hat. Weil es steht, sieht es fast aus als würde es schimmeln und stinkt höllisch. Auch das Wasser in der dazugehörigen Schleuse, das von Entengrütze überzogen ist, wirkt nicht sonderlich sauber.
Drumherum sind die Felswände überzogen von kleinen Löchern und großen Höhlen, in denen Scharen von Vögeln ein- und auswandern. Dort, wo kleine Ströme von Wasser in die Tiefe Fällen haben sich im Laufe der Zeit schwarze Spuren auf dem Gestein gebildet und grüne Kakteen und Pflanzen säumen den Abhang. Es ist schön und still hier unten, der kontinuierlich wechselnde Blick auf die alte Brücke ist gewaltig und es wird eine der besten Erfahrungen der gesamten Reise.
Anschließend Streunern wir noch ein wenig durch die alte Stadt und landen schließlich im Café, das den besten Blick auf die Schlucht bietet, sodass wir einen Kaffee trinken und mal wieder – zur Abwechslung einmal – Couchsurfers in Málaga anschreiben. Obwohl ich das bereits begonnen hatte, als ich vier Wochen früher in Deutschland saß, haben wir für die eineinhalb Nächte noch keinen Host gefunden und auch keine gute Lösung, wie wir die Nacht vor dem frühen Rückflug um 6:45 verbringen sollen.
Eugenio wartet um Viertel vor zwei an der Brücke auf uns, wir sind mal wieder Pleite und müssen noch schnell Geld abheben, bevor es durch die mittägliche Rush Hour zur Estación de Autobus de Málaga geht. Dort kommen wir haarscharf für den Bus um 14:00 an, werden liebevoll verabschiedet und verlassen auch diese Stadt wieder, in der wir nicht länger als 24 Stunden waren.
Málaga
Málaga ist mit Abstand die größte Stadt auf unserem kurzen Weg durch Andalusien, auf dem wir in fünf Tagen sechs Städte erleben können. Tarifa, La Linéa de la Concepción, Gibraltar (UK), Marbella, Ronda und Málaga. Keine schlechte Quote dafür, dass wir einfach aus Gutdünken den erstbesten Flug von außerhalb von Marokko gebucht haben. Natürlich waren auch diese Tage in Südspanien noch ein komplett anderer Einblick in eine unbekannte Kultur, besondere Landschaft und spannend verschieden und doch so ähnliche Lebensweisen.
Durch die maurische Dominanz in Südspanien, die 800 Jahre andauerte sind dort immer noch unglaublich viele Spuren zu finden. Ob nun Hammam (Arabische Bäder), Alcazabah (wie Al Kasbah, das ein arabisches Fort ist) oder bestimmte Kunstformen, diese Spuren sind überall zu finden. Selbst das Picasso Museum besitzt eine Architektur, die von Christen als die eigene angesehen wurde, letztlich jedoch genau der in marokkanischen gehobeneren Gebäuden entspricht.
In Málaga kommen wir zweieinhalb Stunden später an und haben endlich die finale Stadt der langen Reise erreicht. So langsam habe sogar ich Heimweh nach Deutschland, auch wenn dies nicht das deutsche Wetter beinhaltet, das in Köln derzeit 16 Grad und Nieselregen angibt. Mehr als eine halbe Million Menschen leben hier und wie in Marokko überall Medina genannt, gibt es auch hier ein Centro Histórico, eine Altstadt. Darin gibt es die Casa Natal de Pablo Picasso, den Geburtsort von Picasso, das dazugehörige Museum, ein altes Fort, das Alcazabah, einen großen Hafen, einen weiten Strand und viel weiteres zu sehen. Neben Grenada, Sevilla und Ronda ist es die beliebteste Stadt von Andalusienreisenden und bietet viel Kultur, Nachleben und Aktivitäten.
Ich selbst erlebe Málaga als eine lebendige Stadt, die konstant pulsiert, aber für jeden Charakter eine perfekte Mischung bietet. Das Zentrum beherbergt schöne verzierte und uralte Häuser, die der Stadt ihren eigenen Charme verleihen und gut in das moderne Leben eingebunden scheinen. Viele Kirchen und mit Säulen verzierte Gebäude zieren die Gassen, die teilweise ziemlich verwinkelt sind. Jede erdenkbare Spanische Spezialität jeder Preisklasse lässt sich finden, doch auch für Tapas Überdrüssige ist einiges an internationaler Küche dabei.
Unsere Entdeckungstour bringt uns nahe an den Hafen, zu einem Platz mit Brunnen, an dem eine japanische Touristin plötzlich mit Tai Chi beginnt, nachdem Felix ein Fotos von Ihnen mit ihren pinken Hüten als Erkennungsmerkmal gemacht hat. Von dort wollen wir uns schon auf die Suche nach dem nächsten Hostel machen, als wir eine Nachricht von Andres erhalten, der auf meine englische Nachricht mit Spanisch antwortet. Von seinem Profil her zu urteilen scheint er jedoch sehr nett, sodass wir uns mit ihm treffen wollen.
Als wir einige Zeit später zu dem wertvollen WLAN Spot zurückkehren hat er schon zurückgeschrieben und kann uns tatsächlich für die Nacht hosten. Innerhalb weniger Minuten ist er schon mit dem Auto da, weil er gerade seinen Sohn Paulo vom Gitarrenunterricht abgeholt hat. Auf ein derart schnelles Treffen hatte ich nicht einmal zu hoffen gewagt, sodass ich sehr froh bin, endlich den Rucksack abstellen zu können und das schwere Gewicht loszuwerden.
Wie sich herausstellt ist Andres Mormone, lebt seit einem Jahr geschieden und kümmert sich um seine beiden Söhne Paulo und Andi, mit denen er für die Schule übt und sie regelmäßig zum Gitarren- und Cellounterricht bringt. Seine Frau stammt aus der dominikanischen Republik und hat wohl sehr viel mit Ingwer gekocht, viel mehr sagt er nicht oder verstehe ich nicht.
Da er nicht viel Zeit hat lässt er uns großen Spielraum, gibt und die Schlüssel zur Wohnung und erklärt uns noch den Weg in die Stadt, wobei wir darauf achten sollen, nicht in den kleinen Gassen zu streunern, da sie gefährlich sind. Die Erwiderung, wir seien Derartiges nach drei Wochen Reise durch Marokko gewohnt gefällt ihm nicht besonders und erklärt auch später immer wieder, welche Orte er für uns eher empfiehlt und welche wir meiden sollten.
Den Abend verbringen wir in der Stadt, lassen uns durch die belebten, vollen Gassen treiben und ich genieße Málaga genauso sehr wie deren Bedeutung als Ende dieser Reise.